Kurzbiographie

Clara „Claire“ Christiansen kam am 18. April 1872 in Mannheim zur Welt. Sie war die Tochter des jüdischen Kaufmanns Markus Leopold Guggenheim, geboren am 1. November 1827 in Worms, und dessen ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammenden Ehefrau Amalie, geboren am 4. April 1837 in Neckarbischofsheim. 

Im Jahr 1880 wanderte die Familie Guggenheim nach Frankreich aus. Fortan lebten sie in Paris. Dort lernte Tochter Claire im Jahr 1897 den damals bereits bekannten und renommierten Künstler Hans Christiansen, geboren am 6. März 1866 in Flensburg, kennen und lieben. Am 1. November 1897 heirateten die beiden in Paris.

Im Jahr 1898 wurde Hans Christiansen von Großherzog Ernst Ludwig zu Hessen und bei Rhein aufgrund seiner großen Erfolge bei der Dresdener Kunstausstellung 1897 sowie der „Darmstädter Kunst- und Kunst-Gewerbe-Ausstellung“ 1898 als Professor nach Darmstadt berufen. Ab 1899 bewohnte die Familie Christiansen die Villa „In Rosen“ in der Künstlerkolonie „Mathildenhöhe“. Infolge eines Konflikts mit Großherzog Ernst Ludwig entschloss sich Hans Christiansen im Jahr 1911, seine Stellung in Darmstadt aufzugeben und die Stadt zu verlassen. 

Nach vorübergehendem Aufenthalt in Frankreich kehrte die inzwischen fünfköpfige Familie – die Kinder, Herta, Freya und Olaf, waren zwischen 1899 und 1901 zur Welt gekommen – im Jahr 1912 nach Deutschland zurück. Hier lebten sie in einer großzügigen und sehr elegant eingerichteten, im 2. Stock gelegenen Wohnung in der Wilhelmstraße 17 in Wiesbaden. Bis 1933 waren die Christiansens geschätzte und geachtete Mitglieder der Wiesbadener Gesellschaft.

Für Hans Christiansen, der aus einer nicht-jüdischen Familie stammte, hätte das Leben auch nach der „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 weitergehen können wie bisher, wenn er sich bereit erklärt hätte, sich von seiner jüdischen Ehefrau zu trennen. Das aber lehnte er konsequent ab. Dass ihm daraus nicht nur gesellschaftliche, sondern vor allem auch wirtschaftliche und berufliche Nachteile entstehen würden, wusste er und nahm es billigend in Kauf. Dazu gehörte beispielsweise der Umzug innerhalb des Hauses Wilhelmstraße 17, denn spätestens 1938 konnte sich Hans Christiansen die Miete für die große Wohnung im 2. Stock aufgrund des über ihn (quasi) verhängten Berufsverbots nicht mehr leisten. Das Ehepaar – die Kinder lebten seit Anfang der 1930er Jahre im Ausland – übersiedelte daraufhin 1938 in eine wesentlich kleinere und deutlich bescheidenere Mansardenwohnung.

Von 1933 bis zu seinem Tod am 5. Januar 1945 tat Hans Christiansen alles in seiner Macht stehende, um seine Frau vor der nationalsozialistischen Verfolgung zu schützen und ihr – soweit möglich – ein „normales“ Leben zu ermöglichen. Dazu gehörte beispielsweise, dass er ihr eine Kennkarte, also einen Ausweis, ohne das für Juden obligatorische „J“ besorgte und sie so gut wie gar nichts über seine persönlichen Aktivitäten und Kontakte wissen ließ, die er nutzte, um sie zu beschützen. Claire fühlte sich deshalb von ihrem Ehemann zuweilen schlecht behandelt, letztlich aber sorgten Hans‘ Aktionen dafür, dass Claire die nationalsozialistische Herrschaft überlebte.

Nach dem Tod ihres Ehemanns wohnte Claire Christiansen weiterhin in der Mansardenwohnung in der Wilhelmstraße 17. Während des schweren Bombenangriffs auf Wiesbaden in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1945 wurde ihre Wohnung beschädigt und dadurch unbewohnbar. Claire verbrachte die folgenden Wochen notgedrungen im Keller des Hauses, bis Ende März 1945 die amerikanischen Truppen in Wiesbaden einmarschierten. 

Auch weil niemand aus der Hausgemeinschaft Claire Christiansen verriet, obwohl wahrscheinlich alle gewusst haben dürften, dass sie Jüdin war, blieb ihr die Deportation erspart, die am 18. Februar 1945 auch jene traf, die bis dahin in einer „Mischehe“, also in einer Ehe mit einem nicht-jüdischen Partner, gelebt hatten.

Ende der 1940er Jahre verließ Claire Christiansen Wiesbaden. Nach mehrjährigem Aufenthalt in Frankreich übersiedelte sie später nach San Pantalio di Olbia auf Sardinien. In der dortigen Künstlerkolonie lebte sie bis zu ihrem Tod am 24. März 1974.

                                                                                   Dr. phil. habil. Stephanie Zibell